Grexit ante portas? – Geht Griechenland pleite?

Die Angst vor einem “Grexit” -ist derzeit so groß wie noch nie. Grexit steht für  “Greek-Exit”  also einem Ausstieg Griechenlands aus dem Euro-System.

Nachdem der griechische Ministerpräsident am Wochenende die Verhandlungen über eine Fortführung der europäischen Hilfspakete einfach abgebrochen hatte und diese Pakete zu einem großen Teil Ende Juni auslaufen, steht Griechenland jetzt vor der Pleite. 

Wird es bald keine griechischen Euros mehr geben?
Wird es bald keine griechischen Euros mehr geben?

Was wären die Konsequenzen einer Pleite Griechenlandes und dem Ausstieg aus dem Euro-System?

Hätte man diese Katastrophe abwenden können?

Wie hat sich Griechenland im Vergleich zu anderen Staaten entwickelt?

Was hätte ein Grexit für Konsequenzen?

Ein Staat gilt als pleite wenn er den Zinszahlungen oder Tilgungen seiner Schulden ganz oder teilweise nicht nachkommen kann oder will. Sollte es also Griechenland nicht schaffen die für Ende Juni fälligen Zahlungen an seine Gläubiger vollständig zu leisten so gilt das Land als pleite. Ohne Zahlungsaufschübe oder weitere Hilfen wird das Land diese Hürde nicht nehmen können. Spätestens Ende Juni wird es also ernst.
Dennoch brach der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras am Wochenende die Verhandlungen mit seinen größten Gläubigern Deutschland und Frankreich einfach ab und lehnt sich nun zurück mit der Ansicht, dass seine Gläubiger am Zug seien.

Griechenland würde im Falle einer Pleite wahrscheinlich wieder eine eigene Währung einführen über die es die volle Kontrolle hätte. (quasi eine Drachme V2.0) Die Zentralbank hätte direkten Einfluß auf die Geldschöpfung, Zinssätze etc. und könnte diese genau den Bedürfnissen der Wirtschaft anpassen.

Ein Grexit könnte für Griechenland also ein Befreiungsschlag sein: Keine Abhänigkeit mehr von einer Währung die man nicht unter Kontrolle hat. Die Wirtschaft könnte mit Hilfe einer “schwächeren” Währung wieder belebt werden. Also durchaus kein ausschließlich negativer Effekt für das Land.

Eine weitere Folge eines Grexit wäre wohl, dass andere Staaten die ähnliche Probleme haben wie Griechenland, eine ähnliche Strategie verfolgen könnten. Der Euro ist – wie wir noch sehen werden – auch für Länder wie Portugal und Spanien eher eine Bürde.

Wer muss im Falle eines Bankrotts von Griechenland um sein Geld bangen?

Wer sind Griechenlands Kreditgeber/Gläubiger?

Gläubiger Milliarden EUR in % der Gesamtschuld
EZB 20,00 6,19%
IWF 32,00 9,91%
Deutschland 56,00 17,34%
Frankreich 42,00 13,00%
Italien 37,00 11,46%
Spanien 25,00 7,74%
Österreich 5,70 1,76%
übrige Euroländer 28,30 8,76%
griechische Banken 15,30 4,74%
andere Banken 2,40 0,74%
sonstige Staatsanleihen 48,80 15,11%
sonstige Kredite 10,50 3,25%
Summe 323,00 100,00%

 

Wem schuldet Griechenland Geld?
Wem schuldet Griechenland Geld?

Auffallend ist, dass weniger als ein Fünftel der griechischen Staatsschulden in der Hand von “Privaten” ist, d.h. die meisten ausländischen Banken und Versicherungen sowie Pensionsfonds, etc. konnten sich bereits vom Risiko eines Zahlungsausfalles befreien. Nur 15,11% der Schulden sind in Form von Anleihen im Umlauf und nur 0,74% werden von Banken außerhalb Griechenlands gehalten.

Den Großteil der Schulden haben die übrigen Euroländer übernommen. Dafür wurde extra zuerst der EFSF (European Financal Stability Facility) und später der Euro-Rettungsschirm ESM (European Stability Mechanism) gegründet und alle Mitglieder des Euro-Systems mussten nach einem Schlüssel gemäß ihrer Größe einzahlen – auch Österreich.

Aus diesem Grund schuldet “uns” (also Österreich) Griechenland etwa 5,7 Milliarden EUR. Der größte Gläubiger ist Deutschland mit EUR 56 Milliarden, gefolgt von Frankreich mit EUR 42 Milliarden. Das ist natürlich auch der Grund, warum besonders Merkel und Hollande die Verhandlungen mit Tsipras führen.

Hätte man Schlimmeres verhindern können?

Natürlich hätte man Griechenland bereits nach ersten Anzeichen von Schwierigkeiten im Jahr 2010 aus dem EUR-Raum entlassen können und damals bereits den Grexit vollziehen können, allerdings wäre wohl die Gefahr eines Flächenbrandes auf den Finanzmärkten damals viel größer gewesen als heute. Man kann nun darüber diskutieren ob es nicht sinnvoll gewesen wäre bereits damals ein “reinigendes Gewitter” über die Märkte ergehen zu lassen.

Meiner Ansicht nach haben die EUR-Staaten mit der “Übernahme” der Forderungen bereits das größte Risiko eines derartigen Flächenbrandes in Folge einer Staatspleite Griechenlandes abgefangen. Es sind wohl heute keine Bank-Pleiten außerhalb Griechenlandes zu erwarten – allerdings müssen die übrigen EUR-Länder die Geschichte dann ausbaden, d.h. eventuell Steuern erhöhen. Im Falle Österreich wäre das bei einem Komplettausfall ein ähnlich hoher Schaden wie bei der Pleite der Hypo Alpe Adria entstanden ist.

Die Frage ist natürlich ob es der richtige Weg war, Griechenland schon vor einigen Jahren zu retten. In Wirklichkeit war es aber keine Rettung Griechenlandes sondern eine Rettung der Institutionen (Banken, Versicherungen, etc) die die Anleihen Griechenlands zu diesem Zeitpunkt hielten.

Dadurch übernahmen quasi die übrigen Euro-Staaten die Verantwortung einer Pleite Griechenlandes. Die Folgen für die Finanzmärkte sind also meiner Ansicht nach überschaubar und werden vom Markt überbewertet.

Vielleicht – und das ist natürlich nur ein Gedanke von mir der diskutiert werden muss – war die Übernahme des Großteils der griechischen Schulden durch die EUR-Staaten bereits der erste Schritt den Grexit “einfacher” zu machen.

Wie konnte es soweit kommen?

Bereits vor über 5 Jahren hatte Griechenland erstmals Zahlungsschwierigkeiten und bereits damals begann die Geschichte dieser gewaltigen Insolvenzverschleppung: Die Renditen der griechischen Anleihen stiegen ins Unermessliche, die Kurse fielen und wahrscheinlich hatten viele Banker schlaflose Nächte weil sie noch viele derartige Anleihen hielten. Die Rating-Agenturen senkten den Daumen über Griechenland und es mussten bereits im Jahr 2010 Rettungsgelder in Milliardenhöhe fliessen um die Situation wieder zu beruhigen. Die Macht von Rating-Agenturen sollte man nicht unterschätzen und ich persönlich finde es schlimm, dass von Banken, Versicherungen etc. die Entscheidung über die Investition von Milliardenbeträgen nur vom Urteil von Rating-Agenturen abhängig gemacht wird. Sie können quasi das Todesurteil über einen Staat oder ein Unternehmen aussprechen…

Seither taucht dieses Problem immer wieder und immer öfter auf.  Es wurde versucht Griechenland zu Sparmaßnahmen zu zwingen und neue Gelder wurden nur unter derartigen Bedingungen vergeben. So haben z.B. die EZB und der IWF die “Troika” eingerichtet die überwachen soll welche Maßnahmen Griechenland ergreift um die Staatseinnahmen zu erhöhen bzw. die Ausgaben zu senken. Das führte dazu, dass Griechenland gezwungen wurde Steuern zu erhöhen oder Abgaben (wie z.B. Pensionen) zu senken.

Die Konsequenz war natürlich, dass die Griechen diese Last nicht tragen wollten, und überdies die Wirtschaft nicht wirklich an Schwung gewinnen konnte aufgrund der neuen Einschränkungen. Eine Arbeitslosigkeit von fast 25% spricht für sich. 
Also konnte die  links-radikale Partei Syriza mit Alexis Tsipras im Jänner 2015 die Wahlen gewinnen. Das Programm dieser Partei ist sehr radikal, so sollen unter anderem Zahlungen und Zinsen auf die öffentlichen Schulden ausgesetzt werden bis sich die Wirtschaft wieder belebt hat und die Arbeitslosigkeit zurückgegangen ist.

Das erklärt natürlich die Hartnäckigkeit die Alexis Tsipras jetzt an den Tag legt. Er geht wirklich aufs Ganze.

Es ist auch tatsächlich verständlich, dass härtere Auflagen für die griechische Bevölkerung nicht zum Erfolg führen werden:  Macht man es den Unternehmen durch Steuererhöhungen schwieriger Gewinne zu erwirtschaften, so lässt sich das eine oder andere Geschäftsmodell vielleicht gar nicht mehr umsetzen und mögliche neue Arbeitsplätze können nicht geschaffen werden – ein Teufelskreis.

Wie hat sich Griechenland im Vergleich zu anderen Staaten entwickelt? Welches sind die nächsten Wackel-Staaten im EUR-Raum?

 Alle Angaben in Mio EUR Schulden in % des BIP BIP pro Einwohner Schulden pro Einwohner Arbeitslose Einwohner (Mio) Handelsbilanz 2014 pro Einwohner
Griechenland 174,50% 22.896,52 39.954,43 25,60% 10,78 -1.925,97
Österreich 80,20% 40.213,20 32.250,99 9,30% 8,22 -199,77
Deutschland 74,70% 39.147,19 29.242,95 4,70% 81,00 2.698,99
Schweiz 34,70% 50.802,85 17.628,59 3,30% 8,06 3.051,88
Frankreich 95,50% 33.480,82 31.974,18 10,00% 66,26 -811,87
Italien 134,10% 31.472,79 42.205,01 12,40% 61,68 695,23
Spanien 93,70% 29.521,86 27.661,98 23,10% 47,74 -512,63
Portugal 131,00% 24.802,85 32.491,74 13,70% 10,81 -987,30
Niederlande 69,40% 41.179,30 28.578,44 7,20% 16,88 2.944,84
Belgien 101,90% 37.087,42 37.792,08 8,50% 10,45 -525,38
Japan 227,70% 32.313,11 73.576,96 3,73% 127,10 -720,10

Ich habe in obiger Tabelle die größten Staaten des EURO-Raumes sowie die Schweiz und Japan miteinander verglichen.

Die Schweiz deshalb, da sie zwar nicht am EUR teilnimmt, aber in Europa dennoch eine wichtige Wirtschaftsmacht darstellt.
Japan deshalb, da es erstaunlicherweise beweist, dass es möglich ist, noch mehr Schulden zu haben als Griechenland und damit gut zu leben. Ich möchte gerne analysieren woran das liegt.

Schulden in Prozent des BIP:

Am Schuldenstand in Prozent des Bruttoinlandsproduktes sieht man bereits, dass Griechenland in Europa die Spitze markiert, gefolgt von Italien, Belgien und Portugal. Alle haben mehr als 100% des BIP an Schulden. Japan hat sich sogar mit mehr als dem doppelten BIP verschuldet.

Die Schweiz steht hier am besten da.

BIP pro Einwohner:

Hier liegt Griechenland ebenfalls ganz hinten. Portugal steht aber leider nicht viel besser da. 

Auch hier hängt die Schweiz den EUR-Raum ab und Japan befindet sich etwa im Mittelfeld.

Schulden pro Einwohner:

Die Japaner können anscheinend gut damit leben, dass sie eine beinahe doppelt so hohe Schuldenlast pro Einwohner tragen müssen als die Griechen.  Woran das liegt sehen wir unter anderem bei der Arbeitslosenrate:

Arbeitslosigkeit:

In Griechenland ist mehr als jeder Vierte arbeitslos: 25,6% der erwerbsfähigen Bevölkerung hat keine Arbeit. Das kostet den Staat natürlich viel Geld und auch Produktivität.

In Japan hingegen ist die Arbeitslosigkeit sehr gering: Nur 3,73% waren Ende 2014 arbeitslos. 

Nur die Schweiz ist auch hier wieder besser: 3,3% waren Ende 2014 arbeitslos.

Handelsbilanz 2014 pro Einwohner:

Abgesehen von den Kosten die ein Staat für die interne Verwaltung und die Erhaltung von Sozialleistungen wie z.B. Arbeitslosengelder, Sozialversicherung, Krankenversicherung, Schulen, Strassen, öffentliche Gebäude etc. aufwenden muss, spielt natürlich die Handelsbilanz eines Landes eine große Rolle beim finanziellen Erfolg oder Misserfolg eines Staates. Übersteigen die Exporte die Importe so kommt Geld ins Land und die Handelsbilanz ist positiv. Umgekehrt – bei negativer Handelsbilanz – verlässt Geld das Land.

Die stärkste positive Handelsbilanz (pro Einwohner) hat interessanterweise wieder die Schweiz. Trotz ständiger Aufwertung des Franken kann dieses Land sehr gut exportieren. 
Auch die Niederlande und Deutschland sind sehr gut dabei. Deutschland gilt nicht umsonst als Exportkaiser und erfreut sich deshalb auch am schwachen Euro.

Griechenland belegt auch hier leider weit abgeschlagen den letzten Platz.

Die Schuldenentwicklung der Staaten im Vergleich:

Die Schuldenentwicklung im Vergleich
Die Schuldenentwicklung im Vergleich

Wirft man einen Blick auf die Entwicklung der Staatsschulden in den letzten 10 Jahren so sieht man, dass Griechenland mit seinen Problemen durchaus nicht alleine ist. In Portugal und Spanien explodierten die Schulden im Verhältnis zum BIP noch stärker. Einzig die Schweiz konnte Schulden abbauen und Japan liegt hier im Mittelfeld.

Die Entwicklung des BIP pro Einwohner:

Entwicklung des BIP pro Einwohner
Entwicklung des BIP pro Einwohner

Hier sieht man wieder ein großes Problem Griechenlandes: Die Wirtschaftsleistung pro Einwohner nimmt seit 2008 stetig ab. Das macht es nicht gerade einfach für den Staat die Einnahmen durch Steuern zu erhöhen.Weniger Wirtschaftsleistung = weniger Einkommen = weniger Steuern. Allerdings kann man im Jahr 2012 einen Tiefpunkt erkennen und eine leichte Erholung 2013.

Bei allen übrigen Ländern zeigt der Trend nach oben  – und ganz oben – wie nicht anders zu erwarten: Die Schweiz

Die Entwicklung der Handelsbilanz:

Die Entwicklung der Handelsbilanz
Die Entwicklung der Handelsbilanz

Im Chart habe ich jetzt absolute Zahlen dargestellt, da man negative Zahlen sehr schwer “relativ” darstellen kann. Zu erkennen ist der Exportkaiser Deutschland, der eine stark positive Handelsbilanz über die letzten 10 Jahre aufweisen kann und die übrigen Staaten weit abhängen kann – auch aufgrund seiner Größe: Deutschland hat halt einfach fast acht mal so viele Einwohner wie die Niederlande die hier Platz zwei belegen.

Sehr auffällig ist Italien: die Handelsbilanz ist in den letzten Jahren sehr stark gestiegen und hat ins positive gedreht.

Griechenland dümpelt im negativen Bereich dahin und Österreich kratzt ständig an der Null-Linie.

Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit:

Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit
Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit

Die wohl sozial wichtigste Kennzahl: Wie hat sich die Arbeitslosenrate in den letzten 10 Jahren verändert:

Mit Abstand die größten Probleme haben hier Griechenland und Spanien, gefolgt von Portugal.

Die Schweiz hat die niedrigste Arbeitslosigkeit, gefolgt von Japan.

Es ist aber – besonders bei den “Kristen”-Staaten in den letzten beiden Jahren einen Tendenz zur Verbesserung erkennbar.

Warum kann Japan so gut mit seiner Schuldenlast leben?

Das liegt wohl an folgenden Tatsachen: Erstens hat Japan eine eigene Währung und eine eigene Zentralbank, d.h. es kann selbst über seine Geldpolitik entscheiden. Zweitens hat es eine funktionierende Wirtschaft mit relativ wenig Arbeitslosigkeit. Die Bürger sind zufrieden.
Und Drittens: die Welt vertraut Japan. Die Zinsen auf Japanische Staatsanleihen sind extrem gering, d.h. Japan hat sehr geringe Kosten für seine Schulden.

Fazit:

Der Euro ist ein weltweit einmaliges Phänomen: Nirgends sonst verwenden so viele unterschiedliche Volkswirtschaften die selbe Währung. Das bringt logischerweise viele Probleme mit sich: Unterschiedliche Mentalitäten bringen auch unterschiedliche Wirtschaftsleistungen und benötigen entweder eine starke oder schwache Währung: Alle unter einen Hut zu bekommen ist sehr schwierig. Wenn man das mit aller Gewalt versucht, so müssen die stärkeren die schwächeren unterstützen. Das kann natürlich dazu führen, dass in den stärkeren Volkswirtschaften die Steuern für das Volk erhöht werden müssen um die schwächeren zu unterstützen. Genau an diesem Punkt stehen wir jetzt: Die Frage ist: Tragen die starken Länder des Euro-Raumes wie z.B. Deutschland die schwachen Länder weiter mit und lassen ihre Bürger dafür höhere Steuern in Kauf nehmen? Werden die Bürger das zulassen? Ein Politiker muss auch immer an die nächste Wahl denken…

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