Der Freitag ist in letzter Zeit an den Börsen ein gefürchteter Tag: Seit einigen Monaten scheint es so, dass besonders am Freitag die Börsen am schlechtesten gelaunt sind. So auch am letzten Freitag z.B. an der Wallstreet in New York: Nachdem am Donnerstag die FED die Zinswende aufgeschoben hat und von einer Erhöhung des Leitzinssatzes abgesehen hatte, gaben die Aktienkurse in New York nur ganz leicht nach. Am folgenden Tag, dem Freitag, verlor der S&P 500 Index jedoch einiges an Boden.
Heute möchte ich untersuchen ob der Freitag generell ein Unglückstag für die Börsen ist, und ob es irgendeinen anderen Zusammenhang zwischen Wochentag und Börselaune gibt.
Kursentwicklung des S&P 500 nach Wochentagen
Ich habe bereits vor einiger Zeit die Saisonalität an den Börsen behandelt und statistisch untersucht, welcher Monat in der Vergangenheit die beste Kursentwicklung brachte.
Heute möchte ich statistisch untersuchen, an welchem Wochentag die Börsianer am liebsten kaufen und die Kurse steigen lassen, bzw, ob es einen Tag gibt, an dem die Verkaufslaune am grössten ist.
Ich möchte vorher noch einmal darauf hinweisen, dass man natürlich nicht aus Entwicklungen der Vergangenheit auf die Zukunft schliessen kann. Es ist nur eine interessante Untersuchung die vielleicht ein deutliches Ergebnis bringt – vielleicht aber auch nicht.
Die einzelnen Wochentage an der New Yorker Börse im Jahr 2015
In der folgenden Tabelle habe ich die bisherige Entwicklung des S&P 500 im heurigen Jahr (2015) nach Wochentagen dargestellt.
Zuerst die Anzahl der Tage an denen die Kurse gestiegen sind, dann jene an welchen die Kurse gesunken sind.
Dann den Anteil an positiven bzw. negativen Tagen (nicht jeder Wochentag war bisher gleich oft ein Handelstag – es waren z.B. manchmal Feiertage. Am seltensten wurde heuer am Montag gehandelt.)
Als nächstes habe ich den durchschnittlichen Ertrag pro Wochentag dargestellt – statistisch gesehen entspricht das dem “Erwartungswert”-
Dann habe ich noch den Durchschnittsgewinn aller Tage mit positiven Ergebnis (also steigender Kurse) ausgerechnet sowie den Durchschnittsverlust aller Tage mit negativer Entwicklung.
Interessant ist natürlich wie gross die maximalen Gewinne bzw. Verluste an einem bestimmten Wochentag waren.
Und abschliessend – in der letzten Zeile – habe ich die Volatilität der einzelnen Wochentage berechnet – sie entspricht statistisch gesehen der Standardabweichung, also durchschnittlichen Wert um den die einzelnen Kursschwankungen vom Erwartungswert entfernt sind – quasi die Schwankungsbandbreite der einzelnen Tage.
Erträge des S&P500 seit 1.1.1980 | Montag | Dienstag | Mittwoch | Donnerstag | Freitag | Gesamt |
Anzahl Tage positiv | 16 | 16 | 17 | 21 | 15 | 85 |
Anzahl Tage negativ | 17 | 21 | 20 | 16 | 20 | 95 |
Summe | 33 | 37 | 37 | 37 | 35 | 180 |
Anteil Tage positv | 48,48% | 43,24% | 45,95% | 56,76% | 42,86% | 47,22% |
Anteil Tage negativ | 51,52% | 56,76% | 54,05% | 43,24% | 57,14% | 52,78% |
Ertrag Durchschnitt (Erwartungswert) | -0,10% | -0,14% | 0,12% | 0,20% | -0,22% | -0,02% |
Durchschnitt positiv | 0,70% | 0,66% | 0,89% | 0,74% | 0,60% | 0,72% |
Durchschnitt negativ | -0,84% | -0,75% | -0,54% | -0,51% | -0,83% | -1,74% |
Maximum positiv | 1,35% | 2,51% | 3,90% | 2,43% | 1,35% | 3,90% |
Maximum negativ | -3,94% | -2,96% | -1,67% | -2,11% | -3,19% | -3,94% |
Volatilität (Standardabweichung) | 1,06% | 0,97% | 1,00% | 0,85% | 0,93% | 0,98% |
Im Jahr 2015 erkennt man, dass tatsächlich der Freitag der schlechteste Börsetag war: An 57,15% aller Freitage im heurigen Jahr sanken die Kurse – das ist der größte Wert aller Wochentage.
Auch die durchschnittliche Kursentwicklung am Freitag mit -0,22% liegt deutlich hinter der an anderen Wochentagen – und sogar 0,2% unter dem Gesamtdurchschnitt.
Auch wurden am Freitag die geringsten maximalen Kursgewinne erzielt. Der beste Freitag heuer brachte nur 1,35%. Der beste Mittwoch hingegen brachte 3,9%.
Die stärksten Kursverluste allerdings fanden heuer an einem Montag statt (3,94%).
Interessanterweise liegt die Volatilität am Freitag im Mittelfeld – was aber natürlich auch daran liegt, dass ständig sinkende Kurse auch eine gewisse “Stabilität” bei statistischen Schwankungen bringen.
Betrachtet man das Jahr 2015 so scheint der Freitag tatsächlich ein schlechter Tag für die Börse zu sein.
Wie schaut es nun bei einer langfristigeren Betrachtung aus?
Der S&P 500 Index nach Wochentagen seit 1.1.1980
In der nächsten Tabelle habe ich die letzten 9000 Handelstage an der Wallstreet untersucht – interessanterweise haben wir seit 1.1.1980 derzeit genau so viele Handelstage hinter uns 😉
Erträge des S&P500 seit 1.1.1980 | Montag | Dienstag | Mittwoch | Donnerstag | Freitag | Gesamt |
Anzahl Tage positiv | 900 | 949 | 1013 | 954 | 976 | 4792 |
Anzahl Tage negativ | 807 | 893 | 832 | 853 | 823 | 4208 |
Summe | 1707 | 1842 | 1845 | 1807 | 1799 | 9000 |
Anteil Tage positv | 52,72% | 51,52% | 54,91% | 52,79% | 54,25% | 53,24% |
Anteil Tage negativ | 47,28% | 48,48% | 45,09% | 47,21% | 45,75% | 46,76% |
Ertrag Durchschnitt (Erwartungswert) | 0,00% | 0,07% | 0,06% | 0,02% | 0,03% | 0,04% |
Durchschnitt positiv | 0,75% | 0,83% | 0,71% | 0,75% | 0,70% | 0,75% |
Durchschnitt negativ | -0,84% | -0,73% | -0,73% | -0,78% | -0,76% | -0,77% |
Maximum positiv | 11,58% | 10,79% | 9,10% | 6,92% | 6,32% | 11,58% |
Maximum negativ | -20,47% | -5,74% | -9,03% | -7,62% | -6,77% | -20,47% |
Volatilität (Standardabweichung) | 1,30% | 1,12% | 1,05% | 1,10% | 1,02% | 1,12% |
Hier ergibt sich bereits ein anderes Bild – und gemäß dem Gesetz der großen Zahl – nähern sich die Werte der einzelnen Wochentage einander an.
Das Gesetz der großen Zahl:
Dieses aus der Statistik bzw. aus dem Bereich der Wahrscheinlichkeitsrechnung kommende Gesetz besagt, dass sich die Häufigkeit eines Zufallsereignisses mit zunehmender Wiederholung des zugrundeliegenden Zufallsexperimentes um den Erwartungswert stabilisiert. Klingt kompliziert, ist es aber nicht: Nehmen wir als Beispiel einen Würfel. Man kann die Zahlen 1 bis 6 würfeln, alle mit gleicher Wahrscheinlichkeit, d.h. im Durchschnitt wird man das Ergebnis 3,5 erwarten: (1 + 2 + 3 + 4 + 5 + 6) geteilt durch 6. Also alle 6 Möglichkeiten aufsummiert und durch 6 geteilt.
Das ist der Erwartungswert.
Würfelt man nun z.B. 10 mal so kann es vorkommen das der Durchschnitt der Ergebnisse noch stark von 3,5 abweicht. Je öfter man würfelt um so näher wird das durchschnittlich gewürfelte Ergebnis (also die Summe aller gewürfelter Augen geteilt durch die Anzahl der Würfe) sich immer mehr dem Wert 3,5 nähern.
Zurück zur Börse:
Es gibt nun – bei der Betrachtung von 35 Jahren Kursentwicklung – keinen Wochentag mehr, der eindeutig besser oder schlechter ist als ein anderer: Der Dienstag z.B. hat prozentuell die meisten Kursverluste hinnehmen müssen (48,48% der Fälle), dafür ist aber sein durchschnittlicher Ertrag der beste unter allen Tagen (0,07%)
Die größten maximalen Kursverluste wurden an einem Montag verbucht – was natürlich auf einen einzigen Tag zurückzuführen ist: Den schwarzen Montag von 19. Oktober 1987: An diesem Tag fuhr die Wallstreet die größten Verluste an einem einzelnen Tag in ihrer Geschichte ein.
Gleichzeitig ist der Montag aber auch der Tage mit den größten Kursgewinnen an einem Tag: Der 13.10.2008 brachte die größten Kursgewinne an einem einzelnen Tag in den letzten 35 Jahren – und das mitten in den Wogen der Finanzkrise 2008, kaum ein Monat nach der Lehman-Pleite. Da sieht man wohin starke Volatilität führen kann.
Das waren interessante Details am Rande bzw. Einzelfälle, aber insgesamt reisst langfristig betrachtet kein einziger Wochentag aus dem Durchschnitt des Gesamtmarktes aus.
Würde man einen noch längeren Zeitraum betrachten, wäre das Ergebnis wahrscheinlich noch eindeutiger (noch ausgeglichener zwischen den einzelnen Wochentagen)
Fazit:
Heuer ist der Freitag (bisher) ein Unglückstag an den Börsen. Langfristig betrachtet kann man aber keinerlei statistisch relevante Hinweise auf einzelne Wochentage finden an denen die Börse besonders gut bzw. besonders schlecht gelaunt ist.