Griechenland und die EU – meine Gedanken

In den letzten Tagen hat sich um die Griechenland-Krise eine Art Patt-Situation herausgebildet, die wohl mindestens bis Sonntag anhalten wird. Da soll das griechische Volk darüber abstimmen ob es die Auflagen der Euro-Staaten annimmt oder nicht.

Mittlerweile hat Griechenland eine Zahlung an den internationalen Währungsfonds (IWF) welche am 30.6. fällig gewesen wäre, nicht geleistet. Ohne weitere Hilfsgelder ist eine baldige Pleite Griechenlands nicht mehr abzuwenden.

Im Land selbst herrscht mittlerweile Anarchie. Nachdem in den letzten Wochen massiv Gelder von griechischen Banken abgezogen wurden haben alle Banken haben seit Montag geschlossen und an Bankomaten gibt es auch so gut wie kein Bargeld mehr (die Abhebungen sind sowieso auf wenige EUR pro Tag limitiert, aber viele Bankomaten sind sowieso bereits leer)
Kreditkarten und Bankomatkarten werden aber vielerorts nicht mehr akzeptiert, sodass man auf Bargeld angewiesen ist. 

Griechenland und die EU
Griechenland und die EU

Warum lässt die europäische Union zu, dass Griechenland droht zu einem “dritte Welt” Land zu werden?

Im heutigen Artikel werde ich meine Gedanken und meine Meinung zu diesem Thema darlegen.

Warum ist es soweit gekommen?

Absehbar ist diese Entwicklung eigentlich schon seit 5 Jahren, als 2010 das Thema Griechenland zum ersten mal in die Schlagzeilen kam. Bereits damals flossen erste Hilfsgelder und es sollten weitere folgen. Die “Rettungsschirme” EFSF (european financal stability facility) und später der ESM (european stability mechanism) wurden extra gegründet um in Not geratene Länder der Euro-Region zu unterstützen)

Gleichzeitig mit den Hilfsgeldern wurde Griechenland eine sehr strenge Sparpolitik auferlegt, die sogenannte Austerität. Es wurde die sogenannte “Troika” installiert, die die Sparmaßnahmen in Griechenland überwachen soll.

Die Entwicklung Griechenlandes seit der Beginn der “Austerität” (2010):

In den Medien wird es oft so dargestellt, als ob Griechenland es einfach nicht schafft seine Schulden in Griff zu bekommen – sie werden immer größer und Griechenland benötigt immer mehr neue Gelder.

Ich habe deshalb eine Tabelle und einen Chart angefertigt um zu zeigen, dass das nicht die ganze Wahrheit ist:

Die Entwicklung der griechischen Verschuldung und der Wirtschaftsleistung:

Mio EUR BIP Schulden Schulden in % des BIP Arbeitslosigkeit
31.12.2000 141.731,90 140.971,00 99,46% 11,23%
31.12.2001 151.987,20 151.869,00 99,92% 10,68%
31.12.2002 162.274,20 159.214,00 98,11% 10,31%
31.12.2003 178.570,90 168.025,00 94,09% 9,76%
31.12.2004 193.013,10 183.157,00 94,89% 10,58%
31.12.2005 199.152,70 195.421,00 98,13% 10,03%
31.12.2006 217.830,50 225.265,00 103,41% 8,99%
31.12.2007 232.831,10 239.991,00 103,08% 8,41%
31.12.2008 242.096,00 264.623,00 109,30% 7,81%
31.12.2009 237.431,00 301.002,00 126,77% 9,63%
31.12.2010 226.210,00 330.291,00 146,01% 12,72%
31.12.2011 207.752,00 355.977,00 171,35% 17,88%
31.12.2012 194.204,00 304.714,00 156,90% 24,56%
31.12.2013 182.438,00 319.178,00 174,95% 27,50%
31.12.2014 178.728,00 317.094,00 177,42% 26,54%

In der Tabelle sehen wir, dass der Schuldenstand Griechenlandes seit einigen Jahren stagniert bzw. sogar leicht rückläufig ist: Im Vergleich zum Jahr 2011 wo die griechischen Staatsschulden ihren Höchststand erreichten konnte Griechenland seine Schulden sogar um fast 11% reduzieren. 
Die “Austeritätspolitik” – der strenge Sparkurs – wirkt also? Nicht ganz: Das BIP (Bruttoinlandsprodukt)- also die Wirtschaftsleistung des Landes – nahm seit 2008 um über 26% ab. Aus diesem Grund stieg auch die Arbeitslosigkeit von 7,81% auf sagenhafte 26,54%. Mehr als jeder vierte Grieche ist heute arbeitslos. Das sind menschnische Schicksale – und gleichzeitig ein Teufelskreis: Arbeitslose kosten den Staat Geld und haben dennoch weniger für Ausgaben zur Verfügung um die Wirtschaft zu stärken. Der Sparkurs war also bereits in den letzten Jahren zu hart – und jetzt wird aber ein noch härterer Sparkurs erwartet!

Durch den starken Rückgang der Wirtschaftsleistung sind natürlich die Schulden im Vergleich zum BIP heute auf einem neuen Höchststand, obwohl sie absolut gesehen sogar weniger geworden sind.  Die Wirtschaft Griechenlands befindet sich seit Jahren im unkontrollierten Sturzflug.

Um die Entwicklung bildlich darzustellen habe ich außerdem einen Chart angefertigt, der den Schuldenstand Griechenlandes und die Wirtschaftsleistung des Landes seit 2000 darstellt:

Griechenlands Schulden und sein BIP seit 2000
Griechenlands Schulden und sein BIP seit 2000

Deutlich zu erkennen ist, dass die Schulden seit den ersten Hilfspaketen im Jahr  2010 rückläufig sind. Gleichzeitig bricht die Wirtschaftsleistung des Landes (das BIP) seit 2008 stark ein. Griechenland war bereits von der Finanzkrise 2008 geschwächt und wurde 2010 zu zusätzlichen Sparmaßnahmen gezwungen was die Wirtschaft in den Ruin trieb.

über die Ursachen…

Hätte man im Jahr 2010 – noch vor dem ersten Hilfspaket – bereits gesagt, dass Griechenland seinen eigenen Weg gehen soll, also den Euro besser aufgeben sollte und aufgrund unterschiedlicher Mentalität und dadurch bedingter Erfordernis einer “weicheren” Währung als des Euro einfach eine eigene Währung (eventuell Drachme 2.0) einführen sollte, dann wäre wohl der griechischen Bevölkerung einiges an Schrecken und Existenzängsten erspart geblieben.

Stattdesen zwingt man den Griechen aber ein Sparprogramm auf, das die Wirtschaft (und damit die Bevölkerung – siehe Arbeitslosigkeit) im Lauf von 5 Jahren an den Rande des Ruines treibt und erwartet heute sogar noch strengere Sparmaßnahmen.
Mittlerweile schleppt man das Problem seit 5 Jahren mit und kann sich nicht zu einer entgültigen Lösung durchringen.

Sind wir Europäer oder nur Mitglieder im Verein “Europa”?

Das Hauptproblem bzw. die Hauptfrage die jeder Beteiligte (und jeder Europäer ist an dieser Sache beteiligt)  meiner Meinung nach beantworten muss ist, dass wir Europäer uns bewusst sein müssen, ob wir Europäer oder nur “Mitglieder” von Europa mit einer Staatsbürgerschaft unseres Heimatstaates sind.

Das macht einen großen Unterschied: Sehen wir uns als Europäer in einer Gemeinschaft bzw. Union (wie der Name EU für “europäische Union” ja bereits suggerieren soll) so ist es klar, dass es innerhalb dieser Union stärkere und schwächere Regionen gibt – so wie auch innerhalb eines jeden Staates.  In einer Union sollten allerdings alle zusammenhalten und die Starken sollten die Schwachen unterstützen, da ja alle in einem Boot sitzen und die selben Interessen und Ansichten vertreten.

Die EU funktioniert in meinen Augen eher so, dass die einzelnen Staaten besonders ihre eigenen Interessen vertreten möchten und dennoch die “Mitgliedschaft” in der europäischen Union genießen wollen.  
Die Griechenland-Krise beweist, dass ein wirklicher Zusammenhalt in Europa nicht gegeben ist: Geht es einem Mitglied schlecht, so wird es durch Sparmaßnahmen gezwungen, dass es ihm noch schlechter gehen soll, damit die übrigen Mitglieder keinen Nachteil aus der Krise ziehen.

Das ist verständlich, wenn man nicht “europäisch” denkt, sondern nur den eigenen Vorteil im Blick behält.   
Undenkbar wäre so etwas im Staatenbund der USA, wo es nie zur Diskussion stehen würde einen einzelnen Staat aus dem US-Dollar auszuschließen nur weil seine Wirtschaftsleistung im Vergleich zum Schuldenstand zu niedrig ist.

Wenn wir Europäer nicht zu diesem Zusammenhalt stehen, dann hätte man Griechenland nicht 5 Jahre “leiden” lassen müssen. Folgender Spruch bietet sich hier als Vergleich an: Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

Wie hätte man das Problem “europäisch” lösen können?

Die Wirtschaft kann nur in Schwung kommen wenn sie gefördert wird. Sparen bringt genau den gegenteiligen Effekt. Wieso wird Griechenland also in eine Rezession gezwungen, anstatt dass sich alle gemeinsam überlegen wie man die Wirtschaft wieder zum laufen bringt und damit automatisch die Steuereinnahmen erhöhen kann?

Wie in der Tabelle und im Chart zu sehen ist, hat Griechenland seit einigen Jahren bereits keine neuen Schulden mehr aufgenommen. Jetzt wäre es also an der Zeit, dafür zu sorgen, dass die Wirtschaft wieder in Schwung kommt. Das wird mit zusätzlichen Steuererhöhungen sicher nicht erreicht. Wenn es mehr Arbeitslose gibt, so gibt es auch weniger Leute die Geld zum Ausgeben haben. Gleichzeitig führen höhere Steuern (besonders die diskutierte Erhöhung der Mehrwertsteuer) zu Zurückhaltung beim Konsum. 

Ich denke Griechenland müsste jetzt in den Wiederaufbau der Wirtschaft investieren. Daran sollten die Bedingungen für Hilfsgelder geknüpft werden. Einerseits müssen Anreize für Unternehmen geschaffen werden wieder verstärkt tätig zu werden um Arbeitsplätze zu schaffen, andererseits muss die Nachfrage gestärkt werden was sicher nicht durch niedrigere Pensionszahlungen erreicht werden kann (so wie es verlangt wird)

Natürlich kosten diese Maßnahmen zusätzliches Geld. Wenn wir Europäer aber nicht bereit sind dieses Geld in einen Teil unserer Union zu investieren, dann sollten wir die Sache sofort beenden und nicht noch weiter verzögern und der griechischen Bevölkerung dadurch das Leben noch schrecklicher machen.

Warum kann man z.B. noch einfach als Ziel für weitere Hilfspakete einen Anstieg der Wirtschaftsleistung oder eine geringere Arbeitslosigkeit ansetzten? Wieso muss sich das Land zu Tode sparen?

2 Gedanken zu „Griechenland und die EU – meine Gedanken“

  1. Letztendlich würde ich zustimmen, dass die Sparpolitik zu hart war – aber gleichzeitig kann man nur große Mengen europäischen Geldes in ein Land schaffen, wenn es dementsprechend europäische Standards durchsetzt. Und bei den Punkten Steuererfassung und Korruption, die mit zu den Hauptproblemen gehören, liegt Griechenland in Vergleichen eher zwischen den Entwicklungs- und Schwellenländern statt bei den sonstigen Europäern. Das hätte man natürlich auch vorher wissen können, aber nun finde ich OK nicht noch mehr Geld zu überweisen bis die ihre Strukturen angepasst haben.

    In den USA sind Staatspleiten einzelner Bundesstaaten oder Städte (Zuletzt Detroit in den Schlagzeilen) übrigens durchaus üblich, das wird oft vergessen. Der einzige Untershcied ist, dass dann nicht die Banken n den betroffenen Staaten alle schließen müssen, und die Renten und grundlegenden (und die sind wirklich nur grundlegend in Amerika) Sozialsysteme über den Bundesstaat weiterlaufen.

    Aber ich denke so wie die Verhandlungen gelaufen sind, hätten die Geldgeber auch auf weniger sparen gesetzt, nur die Syriza-Griechen wollten ideologischerweise nicht.

  2. Ich denke nicht das die Sparpolitik ein Fehler war. Die Sparpolitik war nicht die einzige Ursache für den Wirtschaftseinbruch. Länder die härter gespart haben, sind schneller wieder auf einen Wachstumspfad gekommen. Und nicht zuletzt wo hätte sich Griechenland Geld leihen sollen, um eine Sparpolitik zu vermeiden? Die Gläubiger wären sicher nicht bereit gewesen noch mehr Geld an Griechenland zu verleihen.

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